Warum machen im Fitness-Studio diese "Gymnastik-Kurse mit Musik" fast nur Frauen mit und kaum Männer?

4 Antworten

Fangen wir mal mit dem Abnehmen an:

Zum Abnehmen muss man mehr verbrauchen, als man zu sich nimmt. Heißt die Ernährung und der Sport spielen gleichermaßen eine Rolle. Damit das aber nachhaltig bleibt, muss man erstens beachten, dass es sich eher um eine neue Tagesroutine handelt und nicht um eine kurzzeitige Aktion aus Diät und intensivem Sport (sonst geht das Gewicht wieder hoch, wenn sich einer oder beide Faktoren ändern), und zweitens dass man seine Muskulatur schützt.

Und was den Muskelschutz/Muskelaufbau angeht, gilt folgendes: Ausdauersport ist gesund für Herz-Kreislauf und verbraucht viel Kalorien. Aber: Nur Ausdauersport führt dazu, dass man nicht nur Fett (sofern der Parameter Ernährung auch stimmt), sondern auch Muskeln verliert. Kraftintensive Sportarten hingegen erhalten Muskeln oder bauen gar neue auf, je nach körperlicher Verfassung (man spricht gerne vom Anfängerparadoxon, da es primär Anfänger trifft, aber generell gilt es vermutlich für Alle, die einen hohen Körperfettanteil haben) sogar im Kaloriendefizit. Ab einem gewissen Körperfettanteil braucht man klar einen Überschuss zum Muskelaufbau, aber wenn der Körper noch viel Energie aus gut gefüllten Fettreserven ziehen kann, schreibt man in der Kalorienbilanz eine schwarze Null, baut also auch bei niedrigerer Kalorienaufnahme Muskeln auf, wenn man trainiert und genug Muskelbaustoffe, also Proteine, in der Ernährung hat.

Jetzt kann man solche Kurse (es gibt sehr viele verschiedene) nach verschiedenen Kriterien beurteilen. Diese Kriterien wären für mich Mobilität, Ausdauer, Kraft/Muskulatur und Koordination/Gleichgewicht.

Wenn du primär auf Mobilität aus bist, sind Yoga, Pilates, Les Mills Body Balance, Ballett bzw. Ballett-/Barré-Workout die Kurse, die du suchst. Alle haben auch ein hohes Maß an Koordinations-/Gleichgewichtstraining. Kraft und Ausdauer sind mäßig, wobei man allen zu Gute halten muss (manchen mehr, manchen weniger, aus der Gruppe ist gerade Ballett was Kraft angeht nicht zu unterschätzen), dass man ordentlich Körperspannung braucht, was auch die Muskulatur einigermaßen schützt.

Was voll auf Ausdauer ballert, sind Kurse wie (Step/Dance/Was-auch-immer-) Aerobic, Zumba und Co. Auch Koordination/Gleichgewicht steht hoch im Kurs. Muskeln wirst du (ohne zusätzliches Krafttraining an anderen Tagen) in solchen Kursen allerdings, zusammen mit deinen Fettpolstern, vernichten, Mobilität wird nicht direkt gefördert, außer es wird nach dem Kurs ordentlich gedehnt. Zu solchen Kursen zähle ich übrigens auch Les Mills Body Pump/Body Attack, auch wenn hier mit Gewichten gearbeitet wird: Das ist Ausdauertraining mit Gewichten und kein Krafttraining, die Belastung für Gelenke und Rücken ist enorm, diese Kurse sind eher Körperverletzung als sinnvoll. Kreuzheben und Langhantelrudern macht man nun mal besser kontrolliert und nicht schnell zu stampfenden Techno-Beats, und was da sonst noch für Schweinereien gemacht werden.

Bei kraftintensiven Kursen sind wir dann eher im Bereich Calisthenics, (Geräte-)Turnen oder Pole Dance/Pole Fitness. Diese Kategorie ist fast schon die eierlegende Wollmilchsau, da auch der Puls ordentlich hoch bleibt und Koordination/Gleichgewicht und Beweglichkeit auch massiv gefördert werden. Mit etwas gutem Willen gilt das auch für Crossfit, auch wenn ich das für relativ fragwürdig halte (man sagt ja auch "All Pain, no Gain"). Wenn wir den Bereich der Kurse, die in einem Fitnessstudio angeboten werden könnten verlassen, zählt klar auch Klettern/Bouldern dazu.

Wenn man allerdings reinrassiges Bodybuilding machen will, führt an Geräten, gerade an Isolationsübungen, kein Weg vorbei, bei maximalem Kraftaufbau sind Hanteln und Geräte auch sehr hilfreich, aber in einem anderen Trainingsmodus. Das ist auch der Fehler, den viele machen, die durch Fitness-Youtube inspiriert ins nächste Gym rennen und dann richtig fürs falsche Ziel trainieren (wer natural und gesund maximalen Muskelaufbau will, orientiert sich halt lieber an Gotti Fitness oder Simon Teichmann, wer Strongman-Wettbewerbe gewinnen will an Dennis Kohlruss, und wer stark und trotzdem beweglich werden will an Sascha Huber - aber den Unterschied muss man erst mal verstehen).

Und jetzt gehen wir mal ins Psychologische: Warum findet man da mehr Frauen und da mehr Männer?

Beispiel: Kraft kann man auf mehrere Methoden aufbauen, an Geräten (aber anders, als Muskelaufbau/Bodybuilding), im Strongman-Modus bei Kreuzheben, Tire-Flipping und Atlas-Stein-Heben oder bei Übungen mit Körpergewicht wie Calisthenics oder Pole Dance. Wer von denen wird wohl als erstes in eine spektakuläre Figur wie die Human Flag (ja gerade bei Männern sehr beliebt zum Posen) kommen? Wohl ein knappes Rennen zwischen der Fraktion Calisthenics und Pole Dance. Wer hebt den schwersten Atlas-Stein? Die Fraktion Strongman. Beide wiederum könnten von der Fraktion Kraftsport beim One Rep Max Kreuzheben geschlagen werden. Weil bei allem halt eine gewisse Technik dabei ist, die man mit einem anderen Training nicht bekommt. Trotzdem gibt es kaum Männer (aber es gibt sie), die sich für Pole Dance begeistern, auch wenn es mindestens genauso effizient ist, wie Krafttraining an Geräten. Es sieht halt (bei denen, die es können und nicht nach dem Tal der Tränen der ersten Trainings tagelang mit übelstem Muskelkater im Bett liegen) leicht und elegant aus - und nicht nach brachialer Urgewalt wie eine schwer beladene Langhantel oder einen Atlas-Stein zu stemmen. Viele Männer können sich halt eher für brachiale Urgewalt begeistern, Frauen eher für Leichtigkeit und Eleganz (selbst wenn man übelste Anstrengungen weglächeln muss, wie beim Pole Dance).

Und je mehr wir vom Thema Kraft Richtung Tanzen kommen, desto unattraktiver wird es für die meisten Männer. Da gibt es ja gefühlt eh nur zwei Fraktionen: Die, die Tanzen lieben (aber dann eher mit spektakulären Figuren - Break Dance, Paartänze, wo man die Frau spektakulär rumwirbeln kann, ...) und die, für die Foxtrot und Tango der 6. und 20. Buchstabe im Nato-Funkalphabet sind und wo der Wiener Walzer eher einer Wiener Walze ähnelt. Letztere, die gefühlte Mehrheit, bekommst du auch nicht in einen Dance-Aerobic-Kurs. Ob das hormonell, Erziehung/Geschlechterrollen oder eine Mischung aus beidem ist: Schwierig zu sagen, tendenziell eine Mischung.

Aber letztlich soll jeder machen, wo er Bock drauf hat. Und wenn dir solche Kurse gefallen und sie dich einem Ziel näher bringen - leg los.


Lukas1990 
Fragesteller
 04.10.2023, 23:43

Danke! Hast du eine wissenschaftliche Studie, die besagt, dass bei einem Kcal-Defizit Muskeln abgebaut werden? Ich kann mir sowas gar nicht vorstellen. Höchstens, wenn man völlig unnatürliche Muskeln sich antrainiert hat. Ich war schon seit 10 Jahren nicht mehr in einem Gym und habe auch sonst seit 10 Jahren keine Gewichte geschwungen. Trotzdem ist mir die meiste Muskulatur, die ich vor 10 Jahren aufgebaut habe, erhalten geblieben. Und das, obwohl ich mich auch noch sehr eiweißARM ernähre. Allerdings kein kcal-Defizit. NOCH nicht :)

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volker79  10.10.2023, 07:22
@Lukas1990

Die gibt es mit Sicherheit. Habe aber nicht die Muße, tiefer zu suchen, zumal die Suche bei Pubmed, dem großen öffentlichen Studienportal, der großen Zahl der Studien nicht Gerecht wird.

Allerdings ist es auch so: Die Bro-Science, also das, was passiert, wenn Leute sich und Freunde beobachten, diese Erfahrungen mit Gym-Bros austauschen, die meist die gleichen Beobachtungen gemacht haben, den Studien oftmals überlegen ist.

Beispiel: Lange Zeit war "Science-Based", sogenannte "Reps in Reserve" zu haben, also nicht bis ins Muskelversagen zu trainieren. Alle Studien haben das bestätigt, über Jahre. Bro-Science sagte: Schwachsinn. Die Beobachtung war halt: Wer Science-Based mit Reps in Reserve trainiert hat, kam schwerer aus dem Lauch-Status raus, als die, die ins Muskelversagen gegangen sind. Und zack, da ist die neue Studie, die der Bro-Science Recht gibt: Muskelversagen ist zum effektiven Muskelaufbau alternativlos.

Und die Beobachtungen, abzüglich genetischer Besonderheiten einzelner Personen, sagt halt:

  • Nicht trainieren, schwarze Null oder Überschuss: Eventuell leichter Muskelabbau über lange Zeit
  • Nicht trainieren, Defizit: Fett- und Muskelverlust, irgendwann Tendenz zu weiterem Muskelverlust und Fett-Stagnation/leichtem Aufbau
  • Nur Ausdauertraining im Defizit: Anfangs starker Fett- und Muskelverlust, irgendwann nur noch Muskelverlust mit Fettaufbau (weil es sich für den Körper halt für eine Hungersnot anfühlt, im Falle von zusätzlichem Ausdauertraining in Kombination mit Flucht vor dem Fressfeind), da wird halt primär Energie aus den bösen Verbrauchern Muskeln und deren Proteinen bezogen, während alles, was an Energie dazu kommt, als Fett eingelagert wird)
  • Nur Krafttraining im Defizit: Fettabbau, ein Muskelaufbau ist möglich (Anfängerparadoxon) bei Anfängern und generell Leuten mit großem Fettspeicher, sofern die Ernährung proteinreich ist, da die abgebauten Fettreserven in die Energiebilanz zählen und zumindest eine schwarze Null schreiben, bei fettarmen Personen zumindest Muskel-Stagnation aber kein Abbau, da die Muskeln einen "ich brauch dich noch" Trigger bekommen und erhalten bleiben
  • Nur Krafttraining im Überschuss (proteinreicher Überschuss vorausgesetzt): Klarer Muskelaufbau
  • Gezielte Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining: Kann sowohl im Defizit (sofern der Aufbau durch Anfängerparadoxon noch stattfindet) wie auch im Überschuss (immer) den Muskelaufbau sogar weiter fördern, da so mehr Blut in die Muskeln kommt und die Regeneration verbessert wird, zudem gesund fürs Herz-Kreislauf-System und somit ein langes Leben
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Weil viele Frauen Gruppenaktivitäten und eher leichte körperliche Betätigung bevorzugen. Ob diese Kruse sich gut zum fett-Verbrennen eignen hängt von der Intensität und Dauer ab.


Lukas1990 
Fragesteller
 04.10.2023, 21:56

Aber das eine schließt doch das andere nicht aus. Man kann ja ZUSÄTZLICH zum Muskeln aufbauen noch diese Kurse besuchen.

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OmniosX  04.10.2023, 21:59
@Lukas1990

Die wenigsten Menschen denken für sich selbst. Und Kraftsport hat noch immer dieses unschöne Stigma nur etwas für groteske Muskelberge zu sein die schwitzend und grunzend die Hanteln hieven.

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Frauen wollen eher schlank und fit sein und nicht unbedingt 'Muskeln' aufbauen. Einige 'fürchten' sich sogar angeblich davor (obwohl es eher unrealistisch ist).


Lukas1990 
Fragesteller
 04.10.2023, 21:55

Aber das eine schließt doch das andere nicht aus. Man kann ja ZUSÄTZLICH zum Muskeln aufbauen noch diese Kurse besuchen.

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Spikeman197  04.10.2023, 22:39
@Lukas1990

Männer machen eher in Muskeln. Und wenn sie Ausdauer machen wollen, oder abnehmen, gehen sie Joggen...

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Yes, da gibt’s den Fatburn-Kurs zum Beispiel. Ganzkörpertraining mit vielen Wiederholungen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung