Der Nahostkonflikt hat eine mehr als hundertjährige Geschichte, die eng mit dem europäischen Kolonialismus und beiden Weltkriegen verbunden ist, auch wenn im deutschen Diskurs gerne so getan wird, als hätte alles mit den Anschlägen des 7. Oktober angefangen.

Die Region Palästina liegt an der Grenze von drei Kontinenten und hat in Antike und Mittelalter ein paar Dutzend mal die Besitzer gewechselt, vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert war sie Teil des Osmanischen Reichs und mehrheitlich von muslimischen Arabern besiedelt, auch wenn es bedeutende christliche und jüdische Minderheiten gab.

Das 19. Jahrhundert war in Europa eine Hochzeit des Antisemitismus und zahlreiche Juden flohen vor den Pogromen und Verfolgung nach Palästina. In den 1880er und 1890er Jahren kam dann die politische Ideologie des Zionismus auf, der einen jüdischen Nationalstaat in Palästina nach Vorbild der europäischen Nationalstaaten schaffen wollte.

Der Zionismus blieb Jahrzehnte lang eine Minderheitenposition unter den Juden und hatte mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen. Eine einheitliche jüdische Nation gab es nicht, und die Hauptgruppen der Juden (Aschkenasim, Sephardim und Orientalische Juden) unterschieden sich in ihren kulturellen und religiösen Traditionen und ihrer Sprache. Orthodoxe Juden lehnten den Zionismus aus religiösen Gründen ab, liberale Juden in Westeuropa sahen sich selbst vor allem als Deutsche, Franzosen usw. an und glaubten, den Antisemitismus durch ihre Integration überwinden zu können. Die osteuropäischen Juden waren extremer Armut und Gewalt vonseiten des Zarenreichs ausgesetzt und liefen sozialistischen Parteien zu, die den Zionismus verwarfen und den Antisemitismus durch eine sozialistische Revolution die Grundlage entziehen wollten.

Trotzdem fand der Zionismus auch Anhänger und zionistische Verbände organisierten die Migration von Juden nach Palästina, gründeten Plansiedlungen und kauften Ackerland auf, was zunächst ohne größere Reibereien mit der einheimischen Bevölkerung führte. Dabei waren die Zionisten untereinander zerstritten und uneinig, wie ein jüdischer Staat aussehen sollte und welchen Platz die Araber darin haben sollten. Die Ideen reichten von Koexistenz in einer sozialistischen klassenlosen Gesellschaft bis hin zur jüdischen Dominanz und Vertreibung der Araber.

Im ersten Weltkrieg standen Großbritannien und das Osmanische Reich auf verfeindeten Seiten. Die Briten sicherten aus eigennützigen, strategischen Gründen sowohl den Arabern als auch den Zionisten jeweils einen eigenen Staat zu. Nach dem Sieg über die Osmanen wurden alle diese Versprechungen gebrochen und Großbritannien und Frankreich teilten den Nahen Osten unter sich auf, auch Palästina kam als Mandatsgebiet unter britische Herrschaft.

Hier kann man erstmals von einem Nahostkonflikt sprechen. Das Verhalten der Briten führte zur Radikalisierung sowohl bei arabischen Palästinensern als auch bei jüdischen Zionisten. Es gab in den 20er und 30er Jahren zahlreiche Proteste, Streiks, Lynchmorde und bewaffnete Paramilitärs verübten Anschläge gegen die jeweils andere Seite und die britische Verwaltung, die mit Einreisebeschränkungen für Juden und Entwaffnung der Araber reagierte.

Im Zweiten Weltkrieg entwurzelte der Holocaust hunderttausende europäische Juden, von denen sich viele nun dem Zionismus zuwandten. Die Briten waren vom Krieg so geschwächt, dass sie die Konflikte in Palästina nicht mehr einhegen konnten und sich zurückzogen. Die UN legte 1947 einen Teilungsplan in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor, konnte aber keine Einigung erzielen und es kam zum Bürgerkrieg zwischen arabischen und jüdischen Milizen, wobei sich letztere durchsetzten.

Die Zionisten vergrößerten ihr Territorium gegenüber dem Teilungsplan, vertrieben von dort hunderttausende Palästinenser und riefen 1948 Israel als jüdischen Staat aus. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen ist bis heute ein Streitpunkt. Eine unkoordinierte Intervention von sechs arabischen Nachbarstaaten, die größtenteils selbst erst wenige Jahre alt waren, wurde zurückgeschlagen und führte zu Spannungen zwischen diesen Staaten und ihrer jüdischen Bevölkerung, die in massenhafter Auswanderung nach Israel endeten.

Die USA und die NATO wurden zu Israels engstem Verbündeten, weil es als Bollwerk gegen die benachbarten, meist an der Sowjetunion orientierten Staaten gesehen wurde. Zwischen Israel und den Nachbarstaaten gab es seitdem mehrere Kriege, von denen der Sechstagekrieg 1967 für die heutige Situation am relevantesten ist. Da startete Israel nämlich einen Überraschungsangriff und besetzte die syrischen Golanhöhen, das Westjordanland und den Gazastreifen (und bis 1979 auch den ägyptischen Sinai). In den besetzten Gebieten wurden israelische Siedlungen etabliert, was nach internationalen Recht illegal ist.

In den 60er und 70er Jahren etablierte sich die Palästinensische Unabhängigkeitsorganisation (PLO) dann als politische Kraft, die einen Guerillakrieg mit Anschlägen und Entführungen gegen Israel führte, mit dem Ziel, einen palästinensischen Nationalstaat zu errichten. Die PLO ist säkulär und ihre Teilorganisationen sind sozialdemokratisch bis kommunistisch geprägt, während die Hamas als islamistische Kraft außerhalb der PLO steht und erst in den 90er Jahren relevant wurde.

Die israelische Besatzung mit ihrem Kriegsrecht, Hauszerstörungen, willkürlichen Verhaftungen, Ausgangssperren und Kollektivstrafen trieb zahlreiche Palästinenser in den Widerstand. 1987-1993 gab es dann mit der Ersten Intifada einen großen Aufstand, der von der PLO genutzt wurde, den Staat Palästina auszurufen. Dieser Schritt war erstmal symbolisch, weil die PLO-Führung aus dem Ausland agierte und es kein Palästina gab, dass nicht unter israelischer Besatzung gestanden hätte. Nichtsdestotrotz wurde Palästina von 135 Ländern anerkannt, wohlgemerkt nicht von ehemaligen Kolonialmächten und NATO-Verbündeten.

In den 90er Jahren gab es erstmals Friedensverhandlungen, die zur Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde als quasi-staatlicher Institution führten, die den größeren Teil des Gazastreifens und kleine Teile des Westjordanlands verwalten konnte. 1994 wurden die Verhandlungsführer beider Seiten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, aber 1995 wurde der israelische Ministerpräsident Jitzchak Rabin von einem israelischen Rechtsextremen ermordet. Die neue rechte Regierung unter Benjamin Netanjahu verschleppte weitere Abkommen, und der Friedensprozess war damit gescheitert.

2000-2005 kam es zur Zweiten Intifada, die diesmal vor allem als militärischer Konflikt und mit brutaleren Methoden ausgetragen wurde und in dem erstmals die Hamas führend auftrat. In Reaktion räumte Israel seine Siedlungen im Gazastreifen.

2006 gab es das letzte Mal Wahlen für die Autonomiebehörde. Die Hamas trat dabei nicht als islamistische Kraft, sondern vor allem als Antikorruptionspartei auf, die die Kooperation der PLO mit dem Besatzer Israel anprangerte, und errang damit 44% der Stimmen und die Mehrheit der Sitze. Das führte zur Spaltung der Palästinergebiete; im Gazastreifen übernahm die Hamas die Macht, im Westjordanland die Fatah, die größte Fraktion der PLO.

Israel verfährt seitdem mit beiden Gebieten unterschiedlich. Das Westjordanland ist weiterhin direkt von Israel besetzt, die Autonomiebehörde ist weitgehend machtlos. Israelische Siedler vertreiben regelmäßig Palästinenser von ihrem Land und errichten eigene Siedlungen, wobei sie vom israelischen Militär geschützt werden, obwohl all dies illegal ist.

Der Gazastreifen unterliegt hingegen seit 2007 einer vollständigen Blockade zu Land, zum Wasser und zur Luft, die auch von Ägypten gestützt wird, das inzwischen der engste Verbündete Israels in der Region ist. Die Hamas unternahm gelegentlich Anschläge oder Raketenangriffe aus Israel, die jedes mal mit israelischen Vergeltungsschlägen mit vielen zivilen Opfern beantwortet wurden. 2018 wurden auch größtenteils friedliche Demonstrationen am Grenzzaun mit scharfer Munition beschossen, wobei über 200 Palästinenser starben.

Am 7. Oktober 2023 gelang der Hamas dann erstmalig die Überwindung der Grenzanlagen und der Vorstoß in israelisches Territorium, wo sie Massaker mit hunderten Opfern anrichteten und über 200 Geiseln nahmen, die sie gegen palästinensische Gefangene austauschen wollte. Seitdem führt Israel eine Rachekampagne von ungeahntem Ausmaß, die bereits nahezu die gesamte Infrastruktur des Gazastreifens zerstört hat, über 40.000 Todesopfer gefordert hat und fast die gesamte Bevölkerung zu Binnenflüchtlingen gemacht hat. Auf die israelischen Geiseln, die sich noch im Gazastreifen befinden, wird dabei ebenfalls keine Rücksicht genommen.

Und was ist eure Meinung zu dem Krieg und seid ihr für Israel oder Palästina?

Ein Verbrechen der Hamas rechtfertigt keine Verbrechen Israels, genauso wenig wie vorherige Verbrechen Israels die Massaker der Hamas rechtfertigen. Im Gazastreifen findet derzeit ein Massenmord und eine ethnische Vertreibung statt, die wie keine zweite live auf den sozialen Medien übertragen wird. Vor dem Internationalen Gerichtshof steht sogar der Vorwurf des Genozids im Raum, wobei sich Deutschland als Waffenlieferant mitschuldig macht.

Der Repressionshammer, der in Deutschland und anderswo gegen palästinasolidarische Stimmen geschwungen wird, zeigt, dass es mit dem ganzen liberalen Gerede von Menschenrechten nicht weit her ist, wenn es um die Interessen der imperialistischen Großmächte geht.

Netanjahu hat gezeigt, dass er weder Interesse an der Rettung von Geiseln noch an einem Ende des Krieges hat. Für ihn geht es auch darum, innerisraelische Konflikte durch ein äußeres Feindbild zu kitten. Das Korruptionsverfahren, das gegen ihn läuft, wird beispielsweise für die Dauer des Krieges pausiert und viele Israelis lassen sich durch nationalistische und militärische Propaganda von der sozialen Ungerechtigkeit im eigenen Land ablenken. Mit Netanjahu, Ben-Gvir, Galant und Konsorten wird es keinen Frieden geben.

Die einzige Perspektive, die für die Region in Frage kommt, ist Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit für *alle* Menschen zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan, egal ob jüdisch oder muslimisch, ob hebräisch, arabisch oder aramäisch. Dafür ist nicht nur ein sofortiger Waffenstillstand, humanitäre Hilfe für den Gazastreifen und die Rückkehr der Geiseln notwendig, sondern auch ein Ende der israelischen Besatzung, die Freilassung der palästinensischen politischen Gefangenen, die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, ein Ende der Diskriminierung der arabischen Israelis und die Anerkennung der Palästinenser als Verhandlungspartner.

Die rein militärische Strategie der Hamas bringt uns ebenso wie ihr reaktionäres Gesellschaftsbild diesem Ziel nicht näher, sondern provoziert Gegengewalt und verleitet die Israelis zu blinder Rache. Und selbst wenn die Hamas militärischen Erfolg hätte, würde das nur das Vorzeichen der Unterdrückung umkehren.

Sowohl in Israel als auch in Palästina gibt es kleine linke Gruppen und Friedensaktivisten, die eine grenzübergreifende Zusammenarbeit und Basisarbeit verfolgen, um die verhärteten Fronten aufzubrechen. Das ist der einzige Weg zu echtem Frieden, aber er wird lang und kompliziert sein und die Anerkennung, Aufarbeitung und Vergebung von Leid auf allen Seiten erfordern.

Die israelischen Bomben schaffen keinen Frieden, sondern bereiten den Boden, auf dem die nächste Generation von Hamas-Kämpfern heranwächst.

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Das gleiche wie jedes Jahr - dass LGBT-Gruppen sich nicht blenden lassen von Symbolpolitik und sich gegen Pinkwashing und die Vereinnahmung ihrer Anliegen durch die Herrschenden wehren.

Es gilt nicht nur die offene Homo- und Transfeindlichkeit der Neuen Rechten zu bekämpfen, sondern auch die Scheinheiligkeit der etablierten bürgerlichen Parteien und großen Unternehmen, die sich als LGBT-freundlich präsentieren. Internationale Konzerne präsentieren sich im Juni auf sozialen Medien in Regenbogenfarben - das ändert nichts an materiellen Bedingungen, z.B. höherem Armutsrisiko unter Transpersonen. In Ländern, in denen ein konservativeres Klima herrscht, wird auch auf diese Geste verzichtet - weil es nie um Rechte von irgendwelchen Minderheiten ging, sondern darum, sich als weltoffen zu präsentieren und dadurch mehr Produkte verkaufen zu können.

Da sollte man sich wie jedes Jahr an die Ursprünge des Pride Months erinnern; der liegt nämlich in den Stonewall-Aufständen in New York 1969, die von einer Schwulenbar in der Christopher Street ausgingen, als sich Schwule, Lesben und Transsexuelle das erste Mal in großem Stil gegen Polizeischikanen und Razzien zur Wehr setzten. In der Folge bildeten Homosexuelle das erste Mal politische Massenorganisationen, z.B. die Gay Liberation Front in den USA.

Diese Gruppen hatten ein sozialistisches und revolutionäres Selbstverständnis und suchten den Schulterschluss mit anderen linken Gruppen. Erst dieses Bündnis und sein Widerstand bewirkte in vielen Ländern die Entkriminalisierung von Homosexualität. Keines von den zugestandenen Rechten wurde einfach geschenkt, sie alle wurden erkämpft.

Heute ist dadurch in Deutschland und anderen Ländern Homosexualität soweit akzeptiert, dass sie Gefahr läuft, von der herrschenden Klasse vereinnahmt und für ihre Zwecke instrumentalisiert zu werden. In den USA wirbt beispielsweise das Militär mit ihrer angeblichen Toleranz und auch in Deutschland werden immer wieder LGBT-Rechte als Rechtfertigung für Kriegshetze genutzt, z.B. gegen Russland oder in Nahost. Das Morden und Bombardieren soll also durch angebliche hehre Ziele gerechtfertigt werden.

Sich gegen diese Strategien zu wehren, ist eine der dringendsten Aufgaben von LGBT-Gruppen, genauso wie von antirassistischen und feministischen Gruppen, deren Anliegen ebenfalls bereits für imperialistische Politik vereinnahmt und verbogen wurden.

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Nein.

Juden, Judentum, Zionismus und Israel sind unterschiedliche Dinge und dementsprechend sind auch Antisemitismus, Antizionismus und die bloße Kritik am israelischen Umgang mit den Palästinensern auseinanderzuhalten. Überschneidungen kann man benennen, wo es sie gibt, ohne alles undifferenziert in einen Topf zu werfen.

Wer Israel mit dem Vorwand der Antisemitismusbekämpfung und der Gleichsetzung Israels mit dem jüdischen Volk pauschal gegen jede Kritik immunisiert, leistet Juden und dem Kampf gegen Antisemitismus damit einen Bärendienst.

Weder sind alle Juden Zionisten oder Israelis, noch vertreten Juden oder Israelis nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmte Meinungen, noch kann Israel oder die israelische Regierung für "die" Juden sprechen. Die israelische Gesellschaft ist ebenso entlang Klassengrenzen und politischer Ideologie gespalten wie jede andere Gesellschaft, und diese widerstrebenden Interessen kann man nicht unter einen Hut bekommen.

Eine wissenschaftlich fundierte Definition von Antisemitismus mitsamt Abgrenzung zu Aussagen und Ansichten, die nicht per se antisemitisch sind, bietet die Jerusalemer Erklärung, die von hunderten Forschern zu Antisemitismus, Holocaust, Nahost, Palästina und Israel verfasst wurde:

The Jerusalem Declaration on Antisemitism | JDA

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Sozialismus ist besser

Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung, Imperialismus, Krieg und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.

Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes sind Sozialismus und Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Sozialismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Ein objektives Interesse an der Erhaltung des Kapitalismus hat hingegen nur die kleine Minderheit von kapitalistischen Unternehmern, die vom derzeitigen System profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten. Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering, trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. 
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Die Oktoberrevolution in Russland erzeugte eine bisher noch nie dagewesene Form der Rätedemokratie, Umverteilung des Reichtums und Rechte für Frauen und nationale Minderheiten. Dass diese Errungenschaften nicht von Dauer waren und die Rätedemokratie durch die stalinistische Diktatur abgelöst wurde, war nicht eine unvermeidbare Folge des kommunistischen Programms, sondern der spezifischen damaligen Bedingungen, d.h. der Armut Russlands, der Zerstörung und Entvölkerung des Landes nach Welt- und Bürgerkrieg und der globalen Isolation nach dem Scheitern der Revolutionen in den stärker industrialisierten Ländern wie Deutschland. Die kapitalistischen Großmächte haben durch den Versuch, die junge Sowjetunion militärisch zu zerschlagen, selbst ihren Teil dazu beigetragen, sie zu einem autoritären Staat umzuformen.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist.
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Die Außenpolitik Deutschlands (und der übrigen Staaten) wird nicht von menschenrechtlichen oder moralischen Überlegungen geleitet, sondern vom Streben nach wirtschaftlicher und politischer Macht (Stichwort Imperialismus). Menschenrechte oder irgendwelche Werte spielen nur dann eine Rolle, wenn sie als Rechtfertigung für das eigene Handeln ausgenutzt werden können und nicht im Widerspruch mit den eigenen Zielen stehen.

In Ländern, deren Regierungen keine direkten Ambitionen in Nahost verfolgen, sehen auch die Diskurse ganz anders aus als hier. Deutschland, die USA und die übrigen westlichen Staaten sind aber enge Verbündete Israels, das für sie einen Brückenkopf für Machtbestrebungen im nahen Osten darstellt. Deshalb ist hier auch eine klare Parteinahme und Unterstützung einer Seite möglich.

Die Interessen, die hinter dieser Parteinahme stehen, werden dann mit allerlei Rechtfertigungen verschleiert. Mal wird die andere Seite mit religiösen oder rassistischen Pauschalisierungen dämonisiert, mal werden moralische Rechtfertigungen für das Handeln der eigenen Seite gefunden, die z.B. als Verteidigung von Demokratie, Frauen- und LGBT-Rechten verklärt wird (als würden Frauen und Homosexuelle in Gaza durch israelische Bomben befreit statt verstümmelt und getötet).

Dazu gehört auch die Geschichtsverklärung oder die völlige Entkontextualisierung des Kriegs. Bombardierung, Vertreibung und Invasion werden in Deutschland als gerechte Reaktionen auf den Überfall und die Geiselnahmen vom 7. Oktober behandelt, aber es wäre hier unsagbar, den Überfall vom 7. Oktober als gerechte Reaktion auf die jahrzehntelange israelische Besatzungspolitik zu bezeichnen - sowas ist den Medien im Iran vorbehalten, der als einziges Land offen die Hamas stützt.

Je länger der Krieg dauert, desto offensichtlicher werden die Widersprüche zwischen den Rechtfertigungen und der Realität. Das aktuelle Vorgehen der israelischen Armee ist beispielsweise unvereinbar mit dem angeblichen Ziel, die israelischen Geiseln zu befreien. Bisher sind über 100 Geiseln durch Abkommen freigekommen, und nur drei wurden vom Militär befreit - während dutzende durch die Bomben ebendieses Militärs getötet wurden und drei erschossen wurden, obwohl sie offensichtlich unbewaffnet waren. Das ist ein Widerspruch, der die israelische Gesellschaft derzeit spaltet und die Opposition zum Krieg nährt - in Deutschland wird das hingegen kaum thematisiert.

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Ich frage mich, in welcher Welt du lebst.

Seit Monaten betreiben die Regierungsparteien und die staatstragenden deutschen Medienhäuser nichts anderes, als jeder Empathieäußerung für das Leid der Palästinenser, jeder Anklage gegen die israelische Besatzung und die aktuelle Militärkampagne, jeder Forderung nach Frieden und jeder kritischen Aufarbeitung der israelischen Geschichte pauschal Antisemitismus und Terrorverherrlichung vorzuwerfen.

Dabei wurden sogar Schmutzkampagnen gegen einzelne (auch jüdischen) Personen, Gruppen und Aktionen gefahren, die handfeste Konsequenzen durch Verlust von Posten, Jobs, Räumen, Förderungen, Absage von Veranstaltungen und durch Strafverfolgung hatten.

Als hunderte Berliner Dozenten und Universitätsangestellte einen offenen Brief unterzeichneten, in dem sie die gewaltsame Räumung der Unibesetzungen verurteilten und einen offenen Dialog forderten, wurde selbst dieses zahme Statement von der Bild-Zeitung unter dem Titel "Universitäter" verleumdet und Namen und Bilder von einzelnen Unterzeichnern veröffentlicht.

Wer Israel mit dem Vorwand der Antisemitismusbekämpfung und der Gleichsetzung Israels mit dem jüdischen Volk pauschal gegen jede Kritik immunisiert, leistet Juden und dem Kampf gegen Antisemitismus damit einen Bärendienst.

Weder sind alle Israelis oder Zionisten jüdisch, noch kann ein Staat wie Israel das jüdische Volk an sich vertreten, noch haben alle Juden auf der Welt gemeinsame Ziele und Interessen, die sich vertreten lassen könnten, noch unterstützen alle Juden Israel oder den Zionismus, es gibt sogar zahlreiche Juden, die Israel aus unterschiedlichen Motiven verurteilen. Also sind Antisemitismus, Antizionismus und gegen Israel gerichtete Kritik auch auseinanderzuhalten.

Es ist deshalb auch kein Widerspruch, dass die politische Linke den Antisemitismus bekämpft und größtenteils palästinasolidarisch ist, während die politische Rechte Antisemitismus und antisemitische Denkmuster pflegt und gleichzeitig fest hinter Israel steht.

Eine wissenschaftlich fundierte Definition von Antisemitismus mitsamt Abgrenzung zu Aussagen und Ansichten, die nicht per se antisemitisch sind, bietet die Jerusalemer Erklärung, die von hunderten Forschern zu Antisemitismus, Holocaust, Nahost, Palästina und Israel verfasst wurde:

The Jerusalem Declaration on Antisemitism | JDA

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Nein

Kommunismus und Demokratie sind keine Gegensätze. Ganz im Gegenteil ist die Demokratisierung der Wirtschaft gerade eine Kernforderung der Kommunisten, die von selbsternannten Demokraten aus dem liberalen und konservativen Spektrum vehement abgelehnt werden würde.

Andersherum zeigt das aktuelle kapitalistische System der Demokratie zwangsläufig Grenzen auf. Kapitalismus basiert auf Ungleichheit und Entrechtung, der Trennung zwischen Besitzenden und Besitzlosen, wodurch letztere gezwungen sind, für erstere zu arbeiten und sich ausbeuten zu lassen. Der Kapitalismus kann sich überhaupt nur erhalten, wenn er die große Menge der Besitzlosen von echtem politischen Einfluss fernhält, und das tut er notfalls mit massiver Gewalt durch Polizei und Staatsapparat.

Kommunismus ist eine Gesellschaft ohne Klassen. Das bedeutet, dass die Menschen sich nicht mehr durch ihre Besitzverhältnisse voneinander unterscheiden, dass also kein Reicher mehr die Armen für sich arbeiten lassen und sie ausbeuten kann. Stattdessen besitzen alle den gleichen Zugang zu den Produktionsmitteln (Fabriken, Werkzeuge usw.) und auch zu den damit hergestellten Produkten. Die Arbeit dient nicht mehr dazu, den Reichtum des Chefs zu vermehren und Waren auf den Markt zu werfen, sondern dazu, die menschlichen Bedürfnisse gezielt zu befriedigen, dass also z.B. alle genug zu essen haben. Die Planung der Arbeit und Verteilung auf gesellschaftlicher Ebene ist ohne Demokratie und Mitsprache schwer undenkbar.

Der Kommunismus richtet sich aber sehr wohl gegen liberale Formen der Demokratie, wie Parlamente und Präsidialsysteme, die den Wahlberechtigten lediglich die Wahl lassen, welche Einzelperson oder welche Partei für die nächsten Jahre den Kapitalismus verwalten soll. Gebrochene Wahlversprechen, geringere Übel und faule Kompromisse gehören zu dieser Demokratieform ebenso dazu wie Lobbyismus, eine abgehobene Politikerkaste und der unverhältnismäßige Einfluss von (nicht demokratisch gewählten) Unternehmen.

Dem werden eigene, sozialistische Formen der Demokratie entgegen gestellt, wie Rätesysteme. Räte unterscheiden nicht zwischen einer politischen und einer wirtschaftlichen Sphäre, wie das parlamentarische Systeme tun, sondern verwalten jeden Lebensbereich, vom einzelnen Wohnblock oder Betrieb bis hin zu ganzen Regionen. Die Mitglieder eines Rates sollen aus den Reihen der Basis gewählt werden, sie haben ein verpflichtendes Mandat, sind jederzeit abwählbar und genießen keine finanziellen oder sonstigen Privilegien, was die Formierung einer neuen herrschenden Schicht verhindern soll.

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Die 6 Millionen jüdischen Opfer des Holocaust kamen aus allen Ländern, die Teil der Achsenmächte oder von ihnen besetzt waren, weil die Nazis überall Juden entweder selbst zusammentrieben oder ihre Auslieferung forderten.

Ungefähr die Hälfte (2,8-3 Millionen) der jüdischen Opfer waren Polen, und die zweitgrößte Gruppe waren Sowjetbürger (1,3 Millionen). Die polnische jüdische Gemeinde ist damit diejenige, die absolut und relativ die größten Verluste zu beklagen hatte, aber in relativen Zahlen litten kleinere jüdische Gemeinden fast ebenso sehr, etwa in den Niederlanden, Lettland, Litauen, Griechenland und Jugoslawien.

Von den etwa 500.000 Juden, die Anfang der 30er Jahre in Deutschland lebten, konnte die Hälfte vor dem Krieg ins Ausland fliehen (in vielen Fällen aber in Länder, die später von Deutschland besetzt wurden), und von den Verbliebenen wurden etwa 165.000 ermordet.

In Auschwitz wurden etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet, darunter 960.000 Juden. Von diesen Juden wiederum waren die größte Gruppe Ungarn (440.000) und Polen (300.000), daneben gab es kleinere Gruppen aus einer Reihe von Ländern. In Auschwitz wurden außerdem 150.000 nichtjüdische Polen und zehntausende Roma, sowjetische Kriegsgefangene und Angehörige kleinerer Nationen interniert.

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Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung, Imperialismus, Krieg und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.

Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes sind Sozialismus und Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Sozialismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Ein objektives Interesse an der Erhaltung des Kapitalismus hat hingegen nur die kleine Minderheit von kapitalistischen Unternehmern, die vom derzeitigen System profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten. Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering, trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. 
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Die Oktoberrevolution in Russland erzeugte eine bisher noch nie dagewesene Form der Rätedemokratie, Umverteilung des Reichtums und Rechte für Frauen und nationale Minderheiten. Dass diese Errungenschaften nicht von Dauer waren und die Rätedemokratie durch die stalinistische Diktatur abgelöst wurde, war nicht eine unvermeidbare Folge des kommunistischen Programms, sondern der spezifischen damaligen Bedingungen, d.h. der Armut Russlands, der Zerstörung und Entvölkerung des Landes nach Welt- und Bürgerkrieg und der globalen Isolation nach dem Scheitern der Revolutionen in den stärker industrialisierten Ländern wie Deutschland. Die kapitalistischen Großmächte haben durch den Versuch, die junge Sowjetunion militärisch zu zerschlagen, selbst ihren Teil dazu beigetragen, sie zu einem autoritären Staat umzuformen.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist.
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Die Frage geht von groben Pauschalisierungen und Vereinfachungen aus, die so nicht zutreffen.

Einerseits unterschätzt du wohl die Vielzahl von widerstrebenden Interessen, Fraktionen und Ideologien in jedem einzelnen beteiligten Land, andererseits überschätzt du die Rolle von Ideologie in der Bündnispolitik, denn die hing in erster Linie von strategischen Überlegungen, Kolonialbeziehungen und regionalen Bündnissen und Feindschaften ab. Das wird allein schon klar, wenn man bedenkt, dass auf Seite der Alliierten kommunistische und liberal-kapitalistische Länder kooperierten und andersherum nicht alle faschistischen oder faschistoiden Regierungen die Achse unterstützten, sondern einige neutral blieben (wie Spanien und Portugal), andere von der Achse angegriffen wurden (wie Griechenland) und wieder andere sogar den Alliierten beitraten (wie Brasilien).

Zu den islamischen Ländern: Zur Zeit des zweiten Weltkriegs gab es nur eine Handvoll unabhängiger islamischer Staaten (Türkei, Jemen, Saudi-Arabien, Irak, Iran, Afghanistan), die mehrheitlich neutral blieben, auch wenn einige, wie Saudi-Arabien, die Alliierten materiell unterstützten. Im Irak gab es 1941 einen Putsch, der sich gegen den britischen Einfluss richtete und deshalb Kontakt zur Achse suchte. Diese Putschregierung wurde durch britische Intervention gestürzt und die neue Regierung erklärte 1943 der Achse den Krieg. Auch im Iran wurde die neutrale Regierung durch britische und sowjetische Intervention abgesetzt und die neue erklärte der Achse ebenfalls 1943 den Krieg.

Die meisten übrigen islamischen Länder vor allem Afrikas und der Levante waren Kolonien oder Protektorate und unterstützten ihre jeweiligen Kolonialherren mehr aus Zwang als aus Willigkeit. Qatar, Oman, Transjordanien, Palästina, Ägypten und Sudan beispielsweise standen unter britischer Herrschaft und wurden auf die eine oder andere Weise für die britischen Kriegsbemühungen genutzt. In Palästina rekrutierten die Briten ein Freiwilligenregimt aus Juden und Arabern, wobei erstere zahlreicher waren und auch für Kampfhandlungen eingesetzt wurden.

Libyen stand unter italienischer Herrschaft und stellte damit Truppen für die Achse. Syrien, Algerien, Marokko, Mauritanien, der Libanon, Mali, Niger und Senegal standen unter französischer Herrschaft und manche dieser Gebiete fielen später an das faschistische, mit der Achse kooperierende Vichy-Frankreich, während andere der französischen Exilregierung folgten, hier ist vor allem Algerien zu nennen. Marokko stand zuerst auf französischer Seite, dann auf der Seite Vichy-Frankreichs und dann wieder auf Seite der Alliierten. Der tunesische Bey Mohammad VII unterstand zwar Vichy-Frankreich, erklärte aber seine Neutralität und schützte die tunesischen Juden vor Zwangsarbeit und diskriminierenden Dekreten aus Frankreich. Ebenso gab es in mehreren dieser Länder militärischen Widerstand.

In Albanien und Jugoslawien gab es bedeutende muslimische Bevölkerungsanteile, aber diese spalteten sich ebenso wie die Orthodoxen, Katholiken und Säkulären in Kollaborateure und Widerständler. Die anderen Antworten haben sich auf den Großmufti von Jerusalem und die SS-Divisionen aus muslimischen Bosniaken eingeschossen, aber nicht erwähnt, dass diesen Einheiten auch Christen angehörten und auf der anderen Seite zahlreiche Muslime in der albanischen und jugoslawischen Guerillabewegung aktiv waren.

Ohnehin waren zu diesem Zeitpunkt im Krieg SS-Divisionen aus Nichtdeutschen keine Besonderheit mehr, die Nazis fanden in fast allen besetzten Gebieten bereitwillige Kollaborateure vor, die entweder die faschistische und antisemitische Ideologie teilten oder von Antikommunismus oder Gegnerschaft zu Großbritannien motiviert waren. Entsprechend gab es auch freiwillige SS-Divisionen aus Belgiern, Dänen, Norwegen, Franzosen, Finnen, Russen, Ukrainern, Esten, Letten, Litauern und sogar Indern.

Sogar in Palästina gab es mit Lechi unter Avraham Stern eine rechtsextreme jüdische Miliz, die (vergeblich) die Kooperation mit Nazideutschland suchte, weil sie darin einen Verbündeten gegen die britische Besatzung Palästinas sah. Die wesentlich größeren jüdischen Milizen Haganah und Irgun legten wohlgemerkt ihre Gegnerschaft zu den Briten für die Dauer des Kriegs beiseite.

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Die Außenpolitik Deutschlands (und der übrigen Staaten) wird nicht von menschenrechtlichen oder moralischen Überlegungen geleitet, sondern vom Streben nach wirtschaftlicher und politischer Macht (Stichwort Imperialismus). Menschenrechte oder irgendwelche Werte spielen nur dann eine Rolle, wenn sie als Rechtfertigung für das eigene Handeln ausgenutzt werden können.

In Ländern, deren Regierungen keine direkten Ambitionen in Nahost verfolgen, sehen auch die Diskurse ganz anders aus als hier. Deutschland, die USA und die übrigen westlichen Staaten sind aber enge Verbündete Israels, das für sie einen Brückenkopf für Machtbestrebungen im nahen Osten darstellt. Deshalb ist hier auch eine klare Parteinahme und Unterstützung einer Seite möglich.

Die Interessen, die hinter dieser Parteinahme stehen, werden dann mit allerlei Rechtfertigungen verschleiert. Mal wird die andere Seite mit religiösen oder rassistischen Pauschalisierungen dämonisiert, mal werden moralische Rechtfertigungen für das Handeln der eigenen Seite gefunden, die z.B. als Verteidigung von Demokratie, Frauen- und LGBT-Rechten verklärt wird (als würden Frauen und Homosexuelle in Gaza durch israelische Bomben befreit statt verstümmelt und getötet).

Dazu gehört auch die Geschichtsverklärung oder die völlige Entkontextualisierung des Kriegs. Bombardierung, Vertreibung und Invasion werden in Deutschland als gerechte Reaktionen auf den Überfall und die Geiselnahmen vom 7. Oktober behandelt, aber es wäre hier unsagbar, den Überfall vom 7. Oktober als gerechte Reaktion auf die jahrzehntelange israelische Besatzungspolitik zu bezeichnen - sowas ist den Medien im Iran vorbehalten, der als einziges Land offen die Hamas stützt.

Je länger der Krieg dauert, desto offensichtlicher werden die Widersprüche zwischen den Rechtfertigungen und der Realität. Das aktuelle Vorgehen der israelischen Armee ist beispielsweise unvereinbar mit dem angeblichen Ziel, die israelischen Geiseln zu befreien. Bisher sind über 100 Geiseln durch Abkommen freigekommen, und nur drei wurden vom Militär befreit - während dutzende durch die Bomben ebendieses Militärs getötet wurden und drei erschossen wurden, obwohl sie offensichtlich unbewaffnet waren. Das ist ein Widerspruch, der die israelische Gesellschaft derzeit spaltet und die Opposition zum Krieg nährt - in Deutschland wird das hingegen kaum thematisiert.

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Im weitesten Sinne wird die politische Linke darüber definiert, dass sie sich gegen wirtschaftliche und soziale Ungleichheit, Unterdrückung und Herrschaft stellt.

Linker Protest richtet sich darum derzeit gegen:

1) den israelischen Angriff auf den Gazastreifen, der den Tod von Zehntausenden, die Vertreibung von Millionen und die Zerstörung nahezu der gesamten Infrastruktur bewirkt hat. Dabei wurden zahlreiche Kriegsverbrechen auf israelischer Seite dokumentiert. Der Verdacht eines Genozids steht im Raum und wird vor dem Internationalen Gerichtshof verhandelt. Letztendlich sind hier aber weder ein schnelles Urteil noch wirksame Konsequenzen zu erwarten.

2) das israelische Besatzungsregime und die Ungleichbehandlung sowohl arabischer Israelis als auch der Palästinenser in den besetzten Gebieten. Die israelische Besatzung dauert seit 1967 an und bedeutet für die Palästinenser Überwachung, Kollektivstrafen, Hauszerstörungen, willkürliche Festnahmen und Tötungen sowie vom israelischen Militär gedeckte Siedlergewalt. Derzeit nimmt auch die Siedlergewalt im Westjordanland zu, das wohlgemerkt von der Fatah und nicht von der Hamas kontrolliert wird. Diese Besatzungs- und Segregationspolitik steht dem Frieden in der Region im Weg, denn sie ist der Nährboden, auf dem der bewaffnete palästinensische Widerstand wächst.

3) den Imperialismus der westlichen Großmächte, darunter USA, Großbritannien und Deutschland, die Israel als einen Stützpunkt für ihre Machtbestrebungen im Nahen Osten nutzen und es im Gegenzug militärisch und politisch stützen.

Eine linke Perspektive für die Region kann nur Frieden und Gleichberechtigung für alle Menschen in der Region bedeuten, Juden wie Araber. Der Weg dorthin wird langwierige Basisarbeit, gegenseitige Anerkennung und viel Vergeben auf beiden Seiten erfordern. Das Ende des Kriegs und der Besatzung sind nur erste Schritte, die unmittelbar umgesetzt werden können.

Eine Fortsetzung des Kriegs wird zu keiner Sicherheit für Israel führen. Die israelischen Bomben schaffen derzeit zehntausende Waisen, aus denen sich die nächste Generation von hasserfüllten Hamas-Kämpfern rekrutieren wird.

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Das ist in der Tat ein Phänomen, das weitgehend auf Deutschland bzw. den deutschsprachigen Raum begrenzt ist.

Im übrigen Europa und auch in Amerika sind die Grenzen zwischen den Lagern ziemlich klar gezogen: Die Rechten unterstützen Israel aus sehr unterschiedlichen Gründen, etwa aus antiarabischem und antimuslimischem Rassismus heraus; weil Israel einen Brückenkopf für westliche militärische Unternehmungen im mittleren und nahen Osten darstellt; oder sogar aus Motiven des christlichen Zionismus und des Antisemitismus - weil Israel einen Ort darstellt, an den die eigene jüdische Bevölkerung verfrachtet werden kann.

Die Linken sind traditionell antiisraelisch, weil sie sowohl die westliche Einmischung im nahen Osten verurteilen (Antiimperialismus) als auch die Unterdrückung der Palästinenser und den israelischen Siedlerkolonialismus (Antikolonialismus). Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass Antisemitismus ebenfalls von der Linken bekämpft wird.

In Deutschland war die Ausrichtung der Linken ebenfalls lange antiimperialistisch. Die pro-israelischen Strömungen in der Linken werden als Antideutsche bezeichnet, was ironisch ist, wenn man bedenkt, dass sie nur in Deutschland relevant sind und im Grunde die Politik der deutschen Regierung stützen. Der Name macht etwas mehr Sinn, wenn man die Ursprünge der Antideutschen versteht.

Die Ursprünge der antideutschen Theorie liegen der bei der Kritischen Theorie oder Frankfurter Schule, also Leuten wie Adorno und Horkheimer. Die kritisierten die damals vorherrschenden marxistisch-leninistischen Interpretationen des Faschismus und warfen ihnen vor, die Rolle des Monopolkapitals als Stütze des Faschismus überzubewerten. Stattdessen konzentrierten sich Adorno und Horkheimer auf den Antisemitismus in der breiten Bevölkerung, d.h. vor allem in der Arbeiterklasse und erklärten ihn soziologisch und psychoanalytisch.

Die Antideutschen machten darauf später die Ansicht, dass die Arbeiterklasse den deutschen Faschismus getragen hätte und Antisemitismus eine deutsche Wesenseigenschaft wäre - dem hätten Adorno und Horkheimer, die auch Zionismus und israelische Politik kritisch betrachteten, sicherlich deutlich widersprochen.

Antideutsche Gruppen gründeten sich dann unter diesem Namen erstmals während der Wiedervereinigung, weil sie angesichts der nationalistischen Welle und des Neonazismus eine unmittelbare Wiederkehr des Faschismus befürchteten.

Graduell wurden diese Antideutschen dann von Kritikern des deutschen Nationalismus und des Antisemitismus zu proisraelischen Apologetikern. Ein Wendepunkt war der Zweite Golfkrieg, als der von den USA bedrängte Irak Raketen auf Israel abschoss, als (vergeblichen) Versuch, Israel zum Gegenangriff zu provozieren und damit die Unterstützung von mit Israel verfeindeten Nachbarstaaten zu erhalten. Während die meisten Linken vor allem gegen die amerikanische Kriegsmaschinerie protestierten, verurteilten die Antideutschen die irakischen Aktionen und sind seitdem auch proamerikanisch ausgerichtet.

Die Antideutschen prägten und propagierten seitdem auch Begriffe wie "Islamfaschismus" und kritisierten die unkritische Unterstützung vieler Linker für antikoloniale Bewegungen, die von nationalistischen oder religiösen Parteien getragen wurden. Ein weiterer Lieblingspunkt der Antideutschen ist verkürzte Kapitalismuskritik, also Kritik, die sich vor allem auf Einzelpersonen wie Multimilliardäre konzentriert, und der Antideutsche durchgängig antisemitische Untertöne unterstellen.

Im Endeffekt sind Antideutsche mehr damit beschäftigt, andere Linke zu kritisieren und auch körperlich anzugreifen, als sich gegen Staat und Kapitalismus zu richten. Die antideutschen Positionen sind gleichzeitig anschlussfähig für bürgerliche bis rechte Kräfte, bis zu dem Punkt, an dem die Bildzeitung sich positiv auf Songs der antideutschen Band Antilopen Gang berufen kann.

Die Antideutschen haben zudem eine Diskursverschiebung bewirkt, die dem deutschen Staat gerade recht kommt. Konzepte wie "linker Antisemitismus", die vor ein paar Jahrzehnten keine Bedeutung hatten, werden jetzt von Regierungsparteien (nicht nur in Deutschland) aufgegriffen, um den Repressionshammer gegen palästinasolidarische Linke zu rechtfertigen.

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Seit Monaten betreiben die großen deutschen Medienhäuser nichts anderes, als jeder Empathieäußerung für das Leid der Palästinenser, jeder Anklage gegen die israelische Besatzung und die aktuelle Militärkampagne, jeder Forderung nach Frieden und jeder kritischen Aufarbeitung der israelischen Geschichte pauschal Antisemitismus und Terrorverherrlichung vorzuwerfen.

Dabei wurden sogar Schmutzkampagnen gegen einzelne Personen, Gruppen und Aktionen gefahren, die handfeste Konsequenzen durch Verlust von Posten, Jobs, Räumen, Förderungen, Absage von Veranstaltungen und durch Strafverfolgung hatten.

Die deutschen Medien lassen also kritische Betrachtung weitgehend vermissen und ordnen sich den Interessen des deutschen Staates unter, der in Israel einen militärischen und wirtschaftlichen Partner hat. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bündnis mit Israel für die "Aufarbeitung" des Holocausts instrumentalisiert, und das obwohl Holocaustüberlebende kaum Anteil am zionistischen Projekt hatten und sich in vielen Fällen angesichts des Umgangs mit den Palästinensern von ihm abwandten.

Wer Israel mit dem Vorwand der Antisemitismusbekämpfung und der Gleichsetzung Israels mit dem jüdischen Volk pauschal gegen jede Kritik immunisiert, leistet Juden und dem Kampf gegen Antisemitismus damit einen Bärendienst.

Weder sind alle Israelis oder Zionisten jüdisch, noch kann ein Staat wie Israel das jüdische Volk an sich vertreten, noch haben alle Juden auf der Welt gemeinsame Ansichten, Ziele und Interessen, die sich vertreten lassen könnten, noch unterstützen alle Juden Israel oder den Zionismus, es gibt sogar zahlreiche Juden, die Israel aus unterschiedlichen politischen oder religiösen Motiven verurteilen. Also sind Antisemitismus, Antizionismus und gegen Israel gerichtete Kritik auch auseinanderzuhalten, auch wenn es Überschneidungen geben kann.

Eine wissenschaftlich fundierte Definition von Antisemitismus mitsamt Abgrenzung zu Aussagen und Ansichten, die nicht per se antisemitisch sind, bietet die Jerusalemer Erklärung, die von hunderten Forschern zu Antisemitismus, Holocaust, Nahost, Palästina und Israel verfasst wurde:

The Jerusalem Declaration on Antisemitism | JDA

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Die Wirkung von Karl Marx kann man kaum überschätzen.

Die marxistische Wirtschaftstheorie und die materialistische Geschichtsauffassung sind schlüssiger und umfassender als ihre bürgerlichen Entsprechungen und zeigen heute immer noch wie vor 150 Jahren deutlich deren blinde Flecken und Widersprüche auf.

Die enorme politische Sprengkraft von Marx' Wirken ist offensichtlich, wenn man bedenkt, dass Abermillionen von Menschen auf der ganzen Welt im Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Imperialismus durch ihn inspiriert wurden und werden.

Natürlich sind viele seiner Werke unvollendet geblieben und einige seiner frühen Ideen in seinen späteren Schriften verworfen worden, aber das sollte angesichts seines ehrgeizigen Anspruchs und seiner Pionierstellung nicht verwundern.

Heute wird die kapitalistische Krise zum Dauerzustand, aber der Widerstand von unten bleibt weitgehend aus. Ein Teil der Erklärung dafür ist sicherlich, dass der Marxismus durch das Wirken von Faschismus und Neoliberalismus weitgehend aus dem öffentlich Bewusstsein verdrängt bzw. er durch Sozialdemokratie und Stalinismus verzerrt und verfälscht wurde.

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Kommunisten geht es um die Aufhebung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Klassengesellschaft. Internationalismus und der Gleichheitsgedanke spielen dabei zentrale Rollen, weshalb Nationalismus und Rassismus als spalterisch abgelehnt werden.

Der Nationalsozialismus ist hingegen eine Ideologie der Ungleichheit. Er propagiert nicht nur die Minderwertigkeit von anderen Nationen und Rassen, sondern auch die wirtschaftlichen und politischen Hierarchien innerhalb der Nation. Die Nazis wollten nicht die Klassen, sondern den Klassenkampf abschaffen, um eine klassenübergreifende "Volksgemeinschaft" zu schaffen, in der die Arbeiter mit ihrer unterlegenen Stellung zufrieden wären und die Position der wirtschaftlichen und politischen Eliten unangetastet bleibt.

Es sind also völlig gegensätzliche und unvereinbare Weltanschauungen, die von der Hufeisentheorie wegen oberflächlicher Ähnlichkeiten in einen Topf geworfen werden. Die politische "Mitte" hat mit der extremen Rechten aber alleine deshalb schon zahlreiche grundsätzliche Übereinstimmungen, weil sie beide das kapitalistische Privateigentum und die Klassengesellschaft nicht anrühren wollen. Entsprechend konnten sich zahlreiche Liberale und Konservative mit der Nazidiktatur arrangieren, während der entschiedenste politische Widerstand von Kommunisten getragen wurde.

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Der Extremismusbegriff und die damit verbundene Hufeisen- und Totalitarismustheorien sind ganz grundsätzlich kritisch zu sehen, weil sie völlig gegensätzliche Weltanschauungen anhand von oberflächlichen Ähnlichkeiten auf eine Stufe stellen, während die unvereinbaren Unterschiede zwischen ihnen ignoriert werden. "Extremismus" ist vor allem ein politisches Werkzeug, das bevorzugt gegen Linke eingesetzt wird, und keine sachliche Beschreibung.

Grundsätzlich wird unter Extremismus alles verstanden, was weit abseits des "gewöhnlichen" Meinungsspektrums liegt und damit ist schon klar, dass es höchst subjektiv und orts- und zeitabhängig ist, welche Meinung als extremistisch eingestuft wird.

Der Extremismusbegriff dient deshalb vor allem den Mächtigen, die politische Gegner kriminalisieren und gesellschaftliche Umwälzungen verhindern wollen. In einem autoritär regierten Land wie Russland werden z.B. auch liberaldemokratische Oppositionelle und seit neuestem auch LGBT-Gruppen als extremistisch bezeichnet, und in der Vergangenheit wurden im Westen auf diese Weise Gruppen gebrandmarkt, die z.B. gegen Kolonialherrschaft oder Rassentrennung gekämpft haben.

In Deutschland wird unter alles als Extremismus gefasst, was sich in irgendeiner Weise gegen das Grundgesetz richtet. Aus welchen Motiven das geschieht, findet keine weitere Beachtung; linke Ideologien, die fehlende Gleichheit und Mitbestimmung im Parlamentarismus anprangern und die kapitalistische Ausbeutung beenden wollen, werden effektiv gleichgesetzt mit rechten Ideologien, die Menschen unterschiedlichen Wert zuordnen bis zu dem Punkt, dass bestimmte Menschengruppen vertrieben und vernichtet werden sollen.

Liberale Ideologien, wie sie derzeit in Deutschland und der westlichen Welt vorherrschen, befürworten ebenso wie die Rechte Ungleichheit und Hierarchien, mit dem geringfügigen Unterschied, dass sie sie durch angebliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rechtfertigen statt über biologische oder kulturelle Merkmale.

Liberale standen historisch und stehen immer noch der extremen Rechten viel offener gegenüber als der Linken, denn erstere hinterfragt nicht die kapitalistischen Machtverhältnisse, und deshalb unterstützten und befürworteten Liberale vielerorts grausame Diktaturen, wenn sie die Machtergreifung von linken Kräften verhinderten. Während des Nationalsozialismus beispielsweise fügten sich ehemals liberale und konservative Politiker größtenteils leicht in die faschistische Diktatur ein und in der BRD wurden FDP und Union die neue politische Heimat zahlreicher Altnazis.

Auch ist Gewalt kein Alleinstellungsmerkmal von angeblich extremistischen Bewegungen, denn auch ein liberaler Staat und seine Eliten sind für ihren Machterhalt auf Gewaltanwendung angewiesen, sowohl physisch (Polizei und Militär) als auch wirtschaftlich (Ausbeutung und Sanktionen).

All diese Verbindungen zwischen liberalen und rechten Ideologien werden durch den Extremismusbegriff und die Hufeisentheorie völlig verschleiert; die hauptsächliche Funktion dieses Begriffes ist und bleibt die Delegitimierung von linken Ideen und Absicherung der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse.

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Der "jüdische Bolschewismus" ist vor allem eine Erfindung von russischen Nationalisten und Zarenanhängern, die damit zwei ihrer Feindbilder verschmelzen wollten. Später wurde dieses Bild auch in anderen Ländern von reaktionären Bewegungen aufgegriffen, z.B. in Deutschland bei der Niederschlagung der Novemberrevolution und beim Aufstieg der Nazis.

Wann immer von "den" Juden als einem einheitlichen Kollektiv geredet wird, sollte man hellhörig werden (das gilt auch für jede andere Volksgruppe). Die Realität ist, dass Juden in fast jeder antizaristischen Partei in Russland aktiv waren, und viele davon bei den Sozialisten. Das sollte auch nicht verwundern, denn im Zarenreich wurden die Juden massiv unterdrückt und Antisemitismus bewusst als Herrschaftsinstrument eingesetzt, um Unzufriedenheit auf eine Minderheit zu kanalisieren. Die russischen Behörden unterstützen offen die protofaschistischen Schwarzen Hundertschaften, die für zahlreiche Pogrome an Juden verantwortlich waren.

Unter den bolschewistischen Führungspersönlichkeiten waren viele mit jüdischer Herkunft, darunter etwa Trotzki, Sinowjew, Kamenew, Swerdlow, Urizki, Sokolnikow und Joffe. Was die einfachen Parteimitglieder anging, war der Anteil von Juden bei den Bolschewiki aber deutlich geringer als bei den übrigen sozialistischen Parteien, also den Sozialrevolutionären und den Menschewiki.

Mit Poale Zion, dem Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund, der Jüdischen Sozialistischen Partei und der Zionistischen Sozialistischen Arbeiterpartei gab es eigene jüdische politische Organisationen, die untereinander zerstritten waren, aber meist den Sozialrevolutionären oder Menschewiki zuneigten.

Das alles änderte sich erst im Russischen Bürgerkrieg nach der von den Bolschewiki geführten Oktoberrevolution. Die konterrevolutionären weißen Truppen verbanden Antibolschewismus und Antisemitismus miteinander und begingen zahlreiche Gräueltaten an den russischen Juden. Sie dichteten sogar nichtjüdischen Bolschewiki, wie Lenin, eine jüdische Herkunft an, um sie noch besser hassen zu können.

Die Bolschewiki stellten sich hingegen gegen Antisemitismus, benannten ihn als reaktionär und stellten die Teilnahme an Pogromen unter Todesstrafe. Das führte zum massenhaften Zulauf von Juden zu den Bolschewiki und zur Spaltung der jüdischen Parteien, deren linke Flügel sich ebenfalls den Bolschewiki anschlossen.

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Die Universitäten in den USA arbeiten eng mit dem Verteidigungsministerium und der Rüstungsindustrie zusammen, beteiligen sich an militärischer Forschung und tragen deshalb auch eine Verantwortung bei der amerikanischen Außenpolitik, was sie zu naheliegenden Adressaten von Protest macht.

Viele deutsche Unis haben sich mit Zivilklauseln hingegen verpflichtet, keine militärische Forschung zu betreiben, auch wenn diese Klauseln vielerorts unter Beschuss sind (beispielsweise wurde im Januar bayrischen Universitäten die Einführung von Zivilklauseln verboten).

In den USA lebt außerdem die größte Anzahl von Juden außerhalb Israels, und wenn man jüdischstämmige Personen hinzurechnet, ist die Zahl sogar größer als die in Israel. Die USA haben von allen Ländern auch die größte israelische Exilgemeinde. Es sind gerade diese israelischen und nichtisraelischen Juden, die in den palästinasolidarischen Protesten führend sind und sich dagegen wehren, dass in ihrem Namen ethnische Vertreibung und Kriegsverbrechen begangen werden.

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Bis auf den Namen hat der Nationalsozialismus wenig mit Sozialismus zu tun.

Sozialisten geht es um die Aufhebung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Klassengesellschaft. Internationalismus und der Gleichheitsgedanke spielen dabei zentrale Rollen, weshalb Nationalismus und Rassismus als spalterisch abgelehnt werden.

Der Nationalsozialismus ist hingegen eine Ideologie der Ungleichheit. Er propagiert nicht nur die Minderwertigkeit von anderen Nationen und Rassen, sondern auch die wirtschaftlichen und politischen Hierarchien innerhalb der Nation. Die Nazis wollten nicht die Klassen, sondern den Klassenkampf abschaffen, um eine klassenübergreifende "Volksgemeinschaft" zu schaffen, in der die Arbeiter mit ihrer unterlegenen Stellung zufrieden wären und die Position der wirtschaftlichen und politischen Eliten unangetastet bleibt.

Die Nazis und die Faschisten in anderen Ländern zogen ihr Mobilisierungspotential gerade aus der Sorge vor einer erstarkenden sozialistischen Linken und den Abstiegsängsten des Kleinbürgertums, das sich durch die Arbeiterbewegung bedroht sah.

Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter waren deshalb die ärgsten ideologischen und politischen Gegner der Nazis und wurden von ihnen massenhaft verhaftet, gefoltert und ermordet, während Liberale und Konservative sich in vielen Fällen mit den Nazis abfanden oder sie sogar aktiv unterstützten und zu ihnen überliefen. Nach Kriegsende waren es CDU/CSU und FDP, die den alten Nazikadern eine neue politische Heimat boten.

Der Antikapitalismus, der bei den Nazis vor allem in den 20er Jahren noch eine Rolle spielte (und spätestens mit der Ermordung von Ernst Röhm endete), war auf Phrasen begrenzt, inkonsequent, widersprüchlich und ging nur so weit, wie er antisemitisch ausgeschlachtet werden konnte. Deutlich wird das an dem Bild des "raffenden" Finanz- und Handelskapitals, das mit dem Judentum assoziiert wurde, und dem "schaffenden" Industriekapital, das mit Deutschtum und Tugendhaftigkeit verbunden wurde.

Die Nazis mobilisierten also lediglich gegen die abstrakten Seiten des Kapitalismus, lobten aber hingegen den sozialdarwinistischen Konkurrenzkampf auf dem freien Markt. Tatsächlich sind das nur zwei Seiten des gleichen Systems. Das Finanzwesen war auch keinesfalls nur jüdisch besetzt, und tatsächlich gehörten die meisten jüdischen Deutschen der Arbeiterklasse an. Die absurde Folge davon ist, dass nicht nur das Finanzkapital, sondern auch der Kommunismus als "jüdisch" galt.

Im Zuge dieser oberflächlich antikapitalistischen Mobilisierung wurden auch zahlreiche aus dem Marxismus stammende Begriffe völlig umgedeutet, eben auch der "Sozialismus", der zur Volksgemeinschaft umgedeutet wurde. Bei denjenigen Arbeitern, die bereits sozialdemokratisch oder kommunistisch organisiert waren, verfing diese Strategie kaum, unter den Arbeitslosen fanden die Nazis mit dieser Strategie aber eine gewisse Basis.

Nach der Machtübergabe an die Nazis zeigte sich, dass sie weder den Arbeitern noch den Kleinbürgern tatsächliche Vorteile boten, tatsächlich schlossen sie Bündnisse mit dem Großbürgertum, das nun viel hilfreicher für die Ausrichtung der gesamten Industrie auf rassistischen Vernichtungskrieg war. In der Folge wurden Monopole gefördert, Löhne auf niedrigen Niveau eingefroren, Streiks illegalisiert, die Gewerkschaften und Arbeiterparteien zerschlagen, Banken, Reichsbahn und Metallindustrie privatisiert und Sozialleistungen gestrichen bzw. an halb-private Organisationen abgegeben und an rassische Voraussetzungen gebunden.

Auch die Führung der kleinbürgerlichen und proletarischen Nazi-Schlägertruppen, darunter Ernst Röhm und Gregor Strasser, wurde kaltgestellt, weil sie in dieser Phase der Naziherrschaft nicht mehr benötigt wurden. Den großen Kapitalisten ermöglichten die Nazis hingegen riesige Profite durch die Beschlagnahmung jüdischen Vermögens, die Plünderung der besetzten Gebiete und den Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit.

Der Rassenwahn der Nazis stand aber immer an erster Stelle und machte in manchen Fällen Interventionen in die Privatwirtschaft notwendig. So wurden bestimmte Industrien zwangsweise auf die Herstellung von Rüstungsgütern ausgerichtet. Auch der Holocaust bedeutete punktuell Konflikte zwischen der Naziführung und Unternehmern, denn diese hätten mehr davon profitiert, die Arbeitskraft von ethnischen und politischen Gefangenen auszubeuten, statt sie im großen Stil zu vernichten - auch wenn die Kosten und Einträge der Konzentrationslager genau kalkuliert wurden.

Die Lenkung der Wirtschaft während des Krieges war auch kein Alleinstellungsmerkmal der faschistischen Diktatur, sondern wurde in ähnlicher Weise auch in den liberal-kapitalistischen Ländern, wie etwa England und Frankreich, praktiziert - hier wie dort aus reiner Notwendigkeit. Weder äußerten die Anführer der Nazis die Absicht, die planwirtschaftlichen Elemente nach dem Krieg beizubehalten, noch waren die deutschen Unternehmer zu irgendeinem Zeitpunkt über diese Möglichkeit besorgt. Das allein spricht Bände, da Unternehmer für gewöhnlich gegen jede Einschränkung ihrer Profitaussichten Sturm laufen.

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